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Netto-Nullemissionen: Neue Investmentchancen

  • 13 Juli 2021 (7 Minuten Lesezeit)

In einem Interview mit der freien Journalistin Carolin Roth für CNBC sprachen Nigel Topping, United Nations High-Level Climate Champion (COP26), Hans Stoter, Global Head of AXA IM Core, und Johann Plé, Senior Portfolio Manager der AXA IM Green Bonds kürzlich über den Weg zur Netto-Nullemission.


AXA IM sagt schon lange, dass die Dekarbonisierung eine enorme Chance für Investoren ist und dass weniger CO2 mehr Wachstum bedeutet. Was bedeutet das für die Weltwirtschaft?

Hans Stoter (HS): Dass wir der Weltwirtschaft schaden, wenn wir die CO2-Emissionen nicht senken, ist unstrittig. Aber absolut betrachtet wird die Energiewende aus unserer Sicht sogar für zusätzliches Wachstum sorgen – durch neue Technologien, neue Arbeitsplätze und neue Anlagemöglichkeiten.

Beispielsweise bilden neue Bereiche wie Energie aus Wasserstoff, CO2-Bindung und -Speicherung, nachhaltige Landwirtschaft und Nahrungsmittelherstellung die Grundlage für künftiges Wachstum.  Aus unserer Sicht kann die Energiewende die Welt genauso stark verändern wie die digitale Revolution in den letzten Jahrzehnten. Und das hat erhebliche Folgen für die Asset-Allokation.

Nigel Topping (NT): Die Dekarbonisierung wird die Prozesse in der Wirtschaft komplett verändern. Wenn beispielsweise Stahl nicht mehr aus Kohle, sondern aus grünem Wasserstoff produziert werden soll, muss man enorm viel investieren. Schon verzeichnen Länder wie Chile, die sich ganz auf erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff konzentrieren, hohe Mittelzuflüsse. Aus meiner Sicht werden Länder, die die Energiewende schneller vollziehen, ihre Nachbarn hinter sich lassen.

HS: Wir sollten auf eine längerfristige nachhaltige Rentabilität setzen und auf eine Finanzlandschaft, die vorbildliches Verhalten und nicht kurzfristige Erfolge belohnt. Wenn wir uns einig sind, dass in einer gescheiterten Welt niemand erfolgreich sein kann, müssen wir sicherstellen, dass unser Planet eine Zukunft hat, und eine Wirtschaft gestalten, die diese Zukunft möglich macht.

Wie wird sich CO2-Neutralität auf die Arbeitsmärkte auswirken?

Johann Plé (JP): Es wird Gewinner und Verlierer geben, aber insgesamt gehe ich davon aus, dass durch die Wende langfristig stabiles Wachstum entsteht, und das kommt auch dem Arbeitsmarkt zugute. Weil immer mehr Regierungen und Unternehmen Netto-Nullemissionen anstreben, wird es viele Investitionen in erneuerbare Energie und Energieeffizienzlösungen geben, und es werden zahlreiche Arbeitsplätze entstehen.  Einige Stellen wird es dann nicht mehr geben, aber viele können entsprechend angepasst werden. Unternehmen werden gefährdete Stellen neu ausrichten und mit staatlicher Unterstützung Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, um sicherzustellen, dass alle Funktionen angemessen besetzt werden können.

Welche Technologien halten Sie für besonders spannend?

HS: Anlagen in Innovationen im Zusammenhang mit der Energieerzeugung und -speicherung halte ich für interessant. Energie aus fossilen Brennstoffen kann sehr effizient gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden. So etwas brauchen wir auch für erneuerbare Energiequellen.  Stellen Sie sich einmal vor, wie es wäre, wenn integrierte Ölkonzerne ihre Pipelines und Tankstellen für Wasserstoff nutzen könnten.  Wenn ihnen das gelingt, steht uns eine spannende Zukunft bevor.

Bislang zählen aus meiner Sicht die Bereiche Elektrofahrzeuge, saubere Energie, Abfallverwertung, Gesundheit und nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zu den Gewinnern. Die Verlierer sind beispielsweise integrierte Ölkonzerne, weil sie zwar gute Pläne haben, aber der Anteil sauberer Energie an ihren Umsätzen nach wie vor minimal ist.

NT: Bei einigen ist auch der Anteil an Investitionen in die Energiewende minimal. Das ist besorgniserregend. Es gibt kaum Belege, dass wirklich etwas für die Energiewende getan wird, deshalb müssen sie jetzt sehr bald mit den Investitionen beginnen.

Werden die Konsummuster etwas verändern, beispielsweise der Kauf von Elektrofahrzeugen, oder werden Regierungen und Politik die Richtung bestimmen?

JP: Ich denke, beides. Häufig reagiert die Politik auf Veränderungen der öffentlichen Meinung, und den Menschen wird zunehmend bewusst, dass sie ihr Verhalten ändern müssen.

NT: Politik und Industrie beeinflussen sich gegenseitig. So sind Elektrofahrzeuge in der Anschaffung immer noch teurer als Autos mit Verbrennungsmotor, obwohl sie im Betrieb billiger sind, und die Industrie braucht noch einige Jahre steuerliche Unterstützung, bis die Preise sinken können – und sie braucht auch Unterstützung beim Aufbau der Ladeinfrastruktur.

Sind durch das Streben nach einer Netto-Null-Wirtschaft mehr grüne Anleihen emittiert worden?

JP:  Das Wachstum des Marktes für Green Bonds spiegelt den Anstieg der Investitionen in die Energiewende wider. In den letzten fünf Jahren ist das Marktvolumen von 50 Milliarden auf knapp 1 Billion US-Dollar gestiegen. In diesem Jahr war das Emissionsvolumen bislang fast so hoch wie im gesamten letzten Jahr. Wir gehen davon aus, dass es sich 2021 gegenüber 2020 insgesamt verdoppeln wird.

Viele Regierungen streben CO2-Neutralität an und arbeiten an der Umsetzung dieses Ziels. Dadurch kommen auch sehr viel mehr grüne Staatsanleihen an den Markt. Auf Unternehmensseite emittieren immer mehr Firmen aus unterschiedlichen Sektoren grüne Anleihen, also nicht nur Versorger, sondern beispielsweise auch Firmen aus der Immobilien-, Automobil- und Chemiebranche. In den Sektoren Energie sowie Bergbau & Metalle werden noch nicht so viele grüne Anleihen emittiert, aber das heißt nicht, dass sie keine wichtige Rolle beim Übergang zu einer nachhaltigen und CO2-armen Wirtschaft spielen.

Welche Rolle spielt das Thema Greenwashing, bei dem Projekte oder Produkte als „grün“ bezeichnet werden, es aber nicht vollständig sind?

HS: Die Diskussionen um das Greenwashing sind ein Zeichen für eine gut funktionierende Selbstregulierung durch Aufsichtsbehörden und Medienschelte. Unternehmen wollen Greenwashing schon deshalb vermeiden, weil sie nicht mit diesem Thema in Verbindung gebracht werden wollen. Aber ich denke, Vermögenseigentümer und Investoren sollten sich von der Angst vor Greenwashing nicht von Anlagen in grüne Strategien abhalten lassen.

Es ist immer noch besser, in etwas zu investieren, das zu 80% wirklich grün und zu 20% „pseudogrün“ ist, als in etwas, das zu 100% nicht grün ist. Einigen scheint die Vermeidung von Greenwashing wichtiger zu sein als die Suche nach grünen Investments. Aus meiner Sicht ist das der falsche Schwerpunkt.

JP: Grüne Anleihen sind traditionelle Schuldpapiere mit mehr Transparenz. Der Emittent investiert das Geld in umweltfreundliche Projekte und verpflichtet sich, darüber zu berichten. Dabei nennt er auch spezielle Performancekennzahlen. Um einzuschätzen, ob eine Anleihe wirklich grün ist, sollten Investoren nicht nur auf die Projekte und die Berichterstattung achten, sondern sich auch über die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsstrategie des Emittenten informieren und sich ansehen, ob sie zu den Projekten passt, die er finanzieren will.

Zuletzt gab es enorme Mittelzuflüsse in nachhaltige Investments. Ist angesichts dieser Dynamik davon auszugehen, dass dies mehr ist als ein kurzer Hype?

HS: Ja, derzeit gibt es eine starke Dynamik, aber ich halte es dennoch nicht für einen kurzen Hype, sondern für einen strukturellen Trend, der viele Jahre anhalten kann.  Wir haben einen Wendepunkt erreicht. Investoren legen ihr Geld lieber in etwas an, das gut für Gesellschaft oder Umwelt ist und sind nicht mehr so stark auf kurzfristige Erträge fixiert.

Wenn es eine Nachfrage nach ESG-Strategien gibt, werden die Kurse von Unternehmen mit hohen ESG-Scores wahrscheinlich steigen. Das ist ein Automatismus. Aber aus meiner Sicht wird die Nachfrage nach grüneren Anlagen anhalten.

Werden Investoren von Unternehmen verlangen, ihren CO2-Fußabdruck zu verkleinern?

HS: Ich erwarte, dass diese Themen vermehrt auf den Hauptversammlungen der Unternehmen angesprochen werden, aber für uns als großer Assetmanager ist es viel effektiver, unseren Einfluss zu nutzen, um persönlich mit den Geschäftsleitungen zu sprechen, oder uns zusammen mit anderen großen Investoren zu engagieren. Wir halten Engagement für einen sehr guten Weg, aber wenn das problematisch ist, ist die Stimme der Öffentlichkeit wichtig. Häufig müssen Gespräche aber vertraulich stattfinden, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Welche konkreten Beschlüsse erwarten Sie von COP26?

NT: Ich hoffe, dass alle Assetmanager der Net Zero Asset Managers Initiative und der Glasgow Financial Alliance for Net Zero beitreten und ihren Einfluss nutzen, um Kohleabbau, Verbrennungsmotoren und Entwaldung zu stoppen. Und ich wünsche mir, dass alle ihre Investmentansätze und ihr Engagement so gestalten, dass sie die Beendigung dieser drei umweltschädlichen Technologien fördern, die schon seit Langem für den Klimawandel verantwortlich sind.

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