Ein anderer Blick auf die Angebotsseite
Im Überblick:
- Nach wie vor ist insbesondere die Nachfrage maßgeblich für die Entwicklung der US-Inflation, aber auch ein weiterer Anstieg des Angebots wäre eine, wenn auch nicht sehr stabile, Hilfe – wenn China keinen Strich durch die Rechnung macht.
- Immer häufiger werden Bedenken wegen einer möglichen Lohn-Preis-Spirale im Euroraum laut. Wir haben alternative Daten untersucht.
Die „Mini-Rallye“, ausgelöst durch die unerwartet niedrigen Oktober-Inflationszahlen in den USA, hängt maßgeblich von einigen wenigen Daten ab. Das Blatt kann sich schnell wenden. Dadurch werden die November-Inflationszahlen, die am 13. Dezember veröffentlicht werden, sehr wichtig – vermutlich zu wichtig – zumal sie nur einen Tag vor der Dezembersitzung der Fed erscheinen, auf der nach Ansicht vieler Marktteilnehmer das Ende der „Mega-Zinserhöhungen“ beschlossen wird. Das Protokoll der letzten Sitzung des Offenmarktausschusses lässt uns mit recht hoher Sicherheit davon ausgehen, dass die Fed ihr Tempo drosseln und ihren Leitzins um „nur“ 50 Basispunkte erhöhen wird. Aber die Märkte werden in den nächsten Monaten weiterhin mit einer volatilen Inflation zu kämpfen haben. Es wird sehr schwierige Phasen geben.
Während sich die Märkte auf die Nachfrage als wichtigste Ursache für die US-Inflation eingeschossen haben, hat sich die Angebotsseite fast unbemerkt verbessert. Die Lieferengpässe lassen nach, die US-Importpreise gehen zurück, und kürzere Lieferzeiten sowie weniger Auftragsstaus sprechen dafür, dass die Produktion nicht mehr der Nachfrage hinterherläuft. Die Industriegüterpreise dürften in den USA weiter zurückgehen. Dies war auch der Grund für die niedrigere Kerninflation im letzten Monat. Diese Kennziffer ist allerdings volatil, sodass überraschend hohe Zahlen nicht ausgeschlossen werden können. Angesichts der Proteste gegen das „Closed-Loop-System“ könnten auch mögliche Störungen des Angebots aus China die allgemeine Verbesserung behindern. Damit die Fed überzeugt sein kann, dass die Inflation wirklich auf dem Rückzug ist, muss auch die Teuerung der Dienstleistungen in den USA sinken. Eine leichte Verschlechterung des Arbeitsmarktes wird helfen, muss aber durch harte Fakten bestätigt werden. Zu viele gute Arbeitsmarktdaten kann der Markt nicht schultern.
Auch die Rhetorik der EZB im Oktober spricht für weniger starke Leitzinserhöhungen, aber im Gegensatz zum Offenmarktausschuss in den USA hat es der EZB-Rat mit überraschend hohen Inflationszahlen zu tun. Wir erwarten aber auch hier eine Leitzinserhöhung von „nur“ 50 Basispunkten im Dezember. Die Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf die Löhne. Wir haben einige derzeit verfügbare alternative Daten analysiert, um uns hier ein besseres Bild zu machen. Die EZB entscheidet vor allem nach den „ausgehandelten Löhnen“. Dies könnte die Realität nach unten verzerren, aber Daten auf Grundlage von Jobangeboten könnten zu starke Lohnsteigerungen signalisieren.
Rechtliche Hinweise