Entkopplung
Letzte Woche wurden für die USA und den Euroraum erste Schätzungen für das BIP im 1. Quartal 2021 vorgelegt. Der Unterschied könnte größer nicht sein. Nach 1,5% Wachstum im 1. Quartal 2021, also noch bevor Joe Bidens Corona-Programme ihre volle Wirkung entfalteten, liegt das US-BIP jetzt um weniger als 1% unter dem Niveau vor Corona. Der Euroraum fiel unterdessen in die Rezession zurück; seine Wirtschaft ist jetzt zwei Quartale in Folge geschrumpft. Beeindruckend ist auch die Struktur des US-Wachstums. Erwartungsgemäß hatte nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen zwar der Konsum im 1. Quartal den größten Anteil am US-Wachstum, aber auch die stärker erwartungsabhängigen Investitionen haben sich gut entwickelt. Erstmals überhaupt hatten die Investitionen in Software, Forschung & Entwicklung sowie IT-Technik mehr als einen Prozentpunkt Anteil am amerikanischen BIP-Wachstum über ein Jahr. Die Unternehmen scheinen fest mit Bidens Konjunkturprogramm zu rechnen.
In Europa verbessert sich der Ausblick aber auch. Im April zeigte der Dienstleistungs-PMI für den Euroraum erstmals seit acht Monaten wieder Wachstum an, und der Konjunkturindikator der Europäischen Kommission bestätigte dies. Beim Neustart der Wirtschaft rechnen wir mit einer spektakulären Erholung des Konsums. Vor allem in Frankreich scheinen die Voraussetzungen aufgrund der Sparquotenentwicklung im Sommer 2020 günstig. Frankreich ist das einzige große Euroraum-Land, dessen Sparquote nach dem Anstieg im 2. Quartal fast wieder auf ihren Langfristdurchschnitt zurückgegangen ist. Hinzu kommt, dass das französische BIP seit Beginn der Krise stärker geschrumpft ist als das deutsche, auch wenn sich der Unterschied in Grenzen hält.
Auf beiden Seiten des Atlantiks bleibt Corona natürlich das Hauptrisiko. Sorgen machen uns die abnehmenden Impfzahlen in den USA, vielleicht wegen der vielen Impfgegner. Dies könnte eine schnelle Herdenimmunität verhindern. Aber auch in Frankreich wurde zuletzt nicht mehr ganz so viel geimpft.
Obwohl Jerome Powell die Position der Fed letzte Woche noch einmal klargestellt hat, sind die Realrenditen in den USA weiter gestiegen. Wir glauben, dass die immer neuen Ausgabenpläne der US-Regierung hier eine Rolle spielen. Unterdessen sind auch die Langfristrenditen im Euroraum trotz der höheren Anleihekäufe der EZB weiter gestiegen. Die Finanzbedingungen bleiben günstig. Die EU versäumt es aber, die negativen Renditen zu nutzen, um den EU-Wiederaufbaufonds mit Kapital auszustatten.
Rechtliche Hinweise
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