Hauptversammlungen 2025 geprägt vom unvorhersehbaren politischen Umfeld
Im Überblick
ESG-Initiativen wurden noch stärker auf den Prüfstand gestellt und kritisch hinterfragt, aber es bleibt abzuwarten, ob dies eine dauerhafte Entwicklung oder eine vorübergehende Reaktion auf politischen Druck ist.
Der Umgang mit der sich verändernden Lage erfordert Disziplin, sorgt aber auch für Chancen für Unternehmen und Emittenten, sich durch eine bessere Governance zu profilieren.
Die Hauptversammlungssaison 2025 war von politischen Unsicherheiten geprägt, sodass es für Unternehmen schwieriger wurde, sich auf die erratische Politik und die ständigen Regulierungsänderungen einzustellen. Der Zollkrieg von US-Präsident Donald Trump und sein Widerstand gegen ökologische und soziale Themen sowie das Omnibus-Paket der Europäischen Kommission – in dessen Rahmen Umfang, Inhalt und Zeitplan der Flaggschiff-Nachhaltigkeitsdirektive überarbeitet werden sollen – waren einige der Faktoren, die zu dieser Unsicherheit geführt haben.
Das unsichere politische Umfeld beeinflusste auch den Steward-Ansatz, das Abstimmungsverhalten und die Engagement-Prioritäten während der Hauptversammlungssaison.
ESG auf dem Prüfstand
Der Widerstand gegen ökologische, soziale und governancebezogene (ESG) Themen in den USA, den die neue Administration verschärft hat, führte dazu, dass ESG-Initiativen von Aktionären noch stärker geprüft und zum Teil mit Skepsis betrachtet wurden. Üblicherweise sind Aktionärsanträge ein von Minderheitsaktionären genutztes Engagement-Instrument, um das Bewusstsein von Unternehmen für ökologische oder soziale Themen zu fördern. Dieses Jahr standen sie besonders in der Kritik:
- Im Februar 2025 schaffte die US Securities and Exchange Commission (SEC) eine Regel ab, die von der Biden-Administration eingeführt worden war (SLV 14L) und es Aktionären erleichterte, ESG-Anträge zu stellen. Dies bedeutet eine Rückkehr zu einer engeren Definition der Bedingungen „wirtschaftliche Relevanz“ und „allgemeines Geschäftsgebaren“, sodass Unternehmen jetzt bestimmte Aktionärsanträge von der Tagesordnung ihrer Hauptversammlungen streichen können, beispielsweise jene im Zusammenhang mit den allgemeinen sozialen Folgen von Themen wie Klimawandel oder Menschenrechte, die nur begrenzt direkte Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzen haben. Dies führte insbesondere dazu, dass Anträge zum Thema Lobbying von den Tagesordnungen fünf großer US-Unternehmen1 genommen wurden und die Anzahl der von der SEC blockierten Anträge gegenüber 2024 um 42% stieg.2
- Der Business Roundtable, ein Zusammenschluss von CEOs großer US-Unternehmen, verlangte öffentlich vom US-Kongress und der SEC, Aktionärsanträge im Zusammenhang mit ökologischen, sozialen und politischen Themen grundsätzlich auszuschließen und die Zulassungs- und Wiederzulassungsbeschränkungen für Anträge zu verschärfen.3
- In Texas wurden die Zulassungsbedingungen für Aktionärsanträge durch das im September 2025 eingeführte Senate Bill 1057 erheblich härter, was es Minderheitsaktionären erheblich schwerer macht, bei in Texas notierten Unternehmen ESG-Bedenken vorzubringen.
- SEC Rules on Lobbying and Energy Finance Proposals, Minerva Analytics, März 2025
- 2025 Shareholder Proposal Season: A First Glimpse at Key No-Action Request Results, Harvard Law School Forum of Corporate Governance, Juni 2025
- The Need for Bold Proxy Process Reforms | Business Roundtable
Anti-ESG-Anträge gewinnen an Prominenz, aber keine Stimmen
Zugleich werden Anträge gegen ESG-Ziele in den USA immer häufiger, vor allem jene zu sozialen Themen sowie zu Diversität, Gleichheit und Teilhabe (Diversity, Equity und Inclusion). An den auf den Hauptversammlungen in diesem Jahr zur Abstimmung gestellten Anträgen hatten sie einen größeren Anteil als jene zu Klima- und Governance-Themen – und einen mit Abstand größeren als im letzten Jahr. Allerdings erhielten sie im Durchschnitt nur 3% Ja-Stimmen der Aktionäre, was die geringe Unterstützung seitens der Investoren zeigt.4
Während also die Gegner von Anti-ESG-Anträgen ihre Stimmen recht laut erheben und versuchen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren, während sie ihre Bemühungen verstärkt und ihre Ziele breiter aufgestellt haben, scheinen Investoren kaum auf diese Initiativen zu reagieren.
Aber so einfach ist es nicht. Trotz der Ablehnung durch die Aktionäre können entsprechende Anti-ESG-Anträge von ihren Gegnern genutzt werden, um Bewusstsein zu schaffen und Stimmung machen gegen die von manchen wahrgenommenen Rückschläge bei ESG-Bemühungen. Dies könnte Unternehmen veranlassen, "sich wegzuducken" und ihre ESG-Initiativen herunterzuspielen, um Kontroversen zu vermeiden. Dies wiederum könnte sie das Vertrauen ihrer Aktionäre kosten, die Rechenschaftspflicht verringern und die Investitionen zur Bewältigung systemischer Herausforderungen schwächen.
Wie es mit den Prozessen zum Einbringen von Aktionärsanträgen in den USA weitergeht, bleibt abzuwarten, aber wir erwarten in erster Linie, dass Boards und Geschäftsleitungen gegenüber Minderheitsaktionären weniger Rechenschaft ablegen müssen.
- An early look at the 2025 Proxy Season, Georgeson
Empfehlungen des Managements zu Nachhaltigkeitsthemen in Europa
In den letzten Jahren haben europäische Unternehmen selbst Nachhaltigkeitsthemen auf die Agenda ihrer Hauptversammlungen gesetzt und Empfehlungen gegeben. Dies bot Aktionären eine alternative Möglichkeit, ihren Bedenken zur Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens Ausdruck zu verleihen. Ein Beispiel dafür ist „Say on Climate“, eine Initiative, bei der Aktionäre für oder gegen den Umgang eines Unternehmens mit dem Klimawandel stimmen können.
In den letzten Jahren ist die Zahl der Unternehmen, die so vorgegangen sind, leicht zurückgegangen. Manche lassen nur noch alle drei Jahre statt jährlich über ihre Klimastrategien abstimmen. Auch die Veränderung der Investorenerwartungen zu steigenden Anfälligkeiten für politische Entscheidungen könnte zu einer Anpassung der Strategien beigetragen haben. Hin und wieder kam es zu Spannungen zwischen Unternehmen und Aktionären. Während sich beispielsweise die erste Welle solcher Klimaanträge vor allem auf den Energiesektor richtete, fanden bei Unternehmen mit hohen Emissionen wie Shell oder TotalEnergies in diesem Jahr keine Klimaabstimmungen mehr statt.5
Außerdem scheint in manchen Ländern gerade etwas in Bewegung zu geraten. So wurden in Spanien und der Schweiz, wo Aktionärsabstimmungen an umfassende Nachhaltigkeitsberichte gebunden sind, die Anträge thematisch ausgeweitet. Die niederländische Governance-Organisation Eumedion fordert für in den Niederlanden notierte Unternehmen jährliche beratende Abstimmungen über die Berichterstattung gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive.6
- Shell Energy Transition Strategy 2024; TotalEnergies 2024 Annual Report
- Eumedion Focus Letter 2025
Vom Umgang mit DEI-Rückschritten
Initiativen zu Diversität, Gleichheit und Teilhabe wurden bereits in den ersten Tagen der 2. Präsidentschaft Donald Trumps auf den Prüfstand gestellt – nach einer Reihe von Executive Orders zu DEI-Programmen im staatlichen und öffentlichen Sektor. Unter dem Motto „Ending Illegal Discrimination and Restoring Merit-Based Opportunity” (Beendigung illegaler Diskriminierung und Wiederherstellung leistungsorientierter Chancen)7 signalisierten diese Anordnungen eine breit angelegte staatliche Kampagne zur Abschaffung von Diversitätsrichtlinien, was Fragen zu den Folgen für die Inklusionsbemühungen von Unternehmen und staatlichen Stellen aufwarf.
Als Reaktion darauf haben viele Abstimmungsberater und große institutionelle Investoren ihre Richtlinien zur Boardvielfalt für die Hauptversammlungssaison angepasst. Sie haben ihre festen Quoten abgeschafft, Sanktionen bei Abstimmungen gegen das Management abgeschwächt, Verweise auf bestimmte geschlechts- oder Ethnien -spezifische Kriterien entfernt und flexiblere Standards wie kognitive Vielfalt und die Angleichung an Branchennormen eingeführt.
Der Umgang mit DEI ist für Unternehmen komplexer geworden, weil die Gegenbewegung zu den bisherigen Programmen viele Gesichter hat. Viele Unternehmen sind konservativer geworden. Viele US-Firmen haben ihre DEI-Budgets zurückgefahren, Diversitätsabteilungen umstrukturiert oder umbenannt und explizite demografische Kennzahlen abgeschafft.
Andere Unternehmen, die weltweit tätig oder stark auf Impact ausgerichtet sind, haben dagegen ihre Inklusionsziele bestätigt. Allerdings bedienen sie sich einer neutraleren Rhetorik und positionieren ihre Strategien neu, indem sie neue Begriffe wie Inklusion, Kultur, Zugehörigkeit und Fairness nutzen. 40% der S&P-500-Unternehmen haben ihre DEI-Inhalte 2025 gegenüber dem letzten Jahr überarbeitet oder gekürzt. Anstatt sie zu streichen formulieren sie allgemeiner.8
Es wird noch eine Weile dauern, bis klar ist, ob diese Veränderungen ein echter Trend oder eine vorübergehende Reaktion auf den aufkommenden politischen Druck sind.
- Ending Illegal Discrimination And Restoring Merit-Based Opportunity – The White House
- “Evolving DEI Disclosure Practices in SEC Filings”, Orrick, Juni 2025
Neue Investmentchancen
Diese Unsicherheit besteht nicht nur in den USA. Die Gegenbewegung zu DEI-Initiativen hat weltweite Auswirkungen – mit unterschiedlichen länder- und sektorspezifischen Reaktionen. Da Vielfalt im Board und in den Geschäftsleitungen für viele Unternehmen nach wie vor ein wichtiger Punkt ist (in den meisten europäischen Ländern eine aufsichtsrechtliche Pflicht), stehen einige weltweit aktive Firmen mit großer Präsenz in den USA vor dem Problem, ihre Diversitätsberichterstattung und -ziele entsprechend so ausgewogen zu gestalten, dass sie Fortschritte ermöglichen und zugleich rechtliche Bedenken berücksichtigen. Drei europäische Unternehmen haben ihre Diversitäts- und Inklusionsziele fallen gelassen (erfüllen aber teilweise bereits die Anforderungen), um die US-Gesetze in ihren Zielmärkten einzuhalten.
Wenn AXA IM über diese Themen mit Unternehmen ins Gespräch kam, haben wir die finanzielle Relevanz von DEI- und Humankapitalmanagement betont und zugleich versucht, die entsprechenden Risiken, den Ansatz sowie die Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbeitenden und die Fähigkeit des Unternehmens, talentierte Kräfte zu gewinnen, zu verstehen.
Die Hauptversammlungssaison 2025 war deshalb nicht einfach. Politische Turbulenzen haben die Märkte volatiler gemacht und für aufsichtsrechtliche Unsicherheit gesorgt. In manchen Fällen war es für Aktionäre schwierig, abzustimmen und sich verantwortungsvoll und wirksam zu engagieren. Aus unserer Sicht könnte dies dazu führen, dass Geschäftsleitungen quasi nicht mehr abgesetzt werden können und weniger Rechenschaftspflicht gegenüber Minderheitsinvestoren haben. Dies ginge auf Kosten einer guten Unternehmensführung und einer langfristig nachhaltigen Wertschöpfung.
Der Umgang mit all diesen Herausforderungen erfordert Disziplin. Aber eine Lehre, die wir aus den Hauptversammlungen in diesem Jahr gezogen haben, ist, dass ein komplexes und sich verändertes Umfeld auch Chancen hervorbringen kann, weil es Unternehmen und Emittenten die Möglichkeit gibt, sich zu profilieren – mit einer besseren Governance, strategischer Anpassungsfähigkeit und besserem Krisenmanagement.
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