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Die Sicht des CIO

Den Zinsgipfel zu erwischen ist ein Glücksspiel

  • 23 September 2022 (5 Minuten Lesezeit)

  • Die Zentralbanken sind weit davon entfernt, den Sieg über die Inflation zu verkünden.
  • Der Anleihemarkt glaubt, dass die Inflation letztlich zurückgeht, aber die Botschaft ist klar: Auf kurze Sicht steigen die Zinsen weiter.
  • Am besten ist es, das Risiko zu begrenzen und höhere Renditen am kurzen Ende als Zwischenlösung zu nutzen.
  • Die Rallye bei Risiko-Assets – oder zumindest eine, die ein wirkliches Fundament hat – liegt in der Zukunft.

Deutliche Straffung der globalen Geldpolitik

In den vergangenen Tagen haben die Federal Reserve (Fed), die Schweizer Nationalbank und die Norwegische Zentralbank die Leitzinsen um 75 Basispunkte (BP) erhöht. Die Bank of England entschied sich für 50 BP, aber drei Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses stimmten für eine Erhöhung um 75 BP. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins zuletzt um 75 BP angehoben und könnte dies angesichts der aggressiven Rhetorik im Euro-System am 27. Oktober wiederholen. Die globale Geldpolitik wurde in diesem Jahr massiv gestrafft. Zur Einordnung: Die Rendite des Bank of America/ICE 1 – 3 Year Global Aggregate Bond Index stieg um über 300 BP. Es wird noch mehr kommen, denn Anzeichen für einen Rückgang der Inflation gibt es noch nicht.

Kurzfristige Renditen als Zwischenlösung

Die Kurse von Staats- und anderen Investment-Grade-Anleihen befinden sich im niedrigen 90er Prozentbereich. Aber das Makroumfeld deutet auf noch höhere Zinsen hin, weshalb die Stimmung schlecht bleibt. Es braucht also Geduld. Das gilt umso mehr für risikoreichere Anlagen wie Hochzinsanleihen und Aktien. Die Zinsen auf Bankeinlagen steigen nur langsam, allerdings sind kurzlaufende Anleihen oder Schatzwechsel eine gute Möglichkeit, um Geld anzulegen, bis die Stimmung umschlägt und der Zeitpunkt gekommen ist, Unternehmensanleihen und Aktien günstig zu kaufen. Zweijährige US-Staatsanleihen bringen über vier Prozent. Die Renditen am Euro-Geldmarkt steigen allmählich, da die EZB mit den Leitzinsen wieder in den positiven Bereich zurückgekehrt ist.

Weitere Zinserhöhungen in der Pipeline

Das Argument der Zentralbanken, dass sie die Inflation, die auf Energie- und Covid-19-Schocks zurückzuführen ist, nicht kontrollieren können, ist in der Praxis irrelevant geworden. Sie wollen, dass die Nachfrage sinkt, um sie mit der eingeschränkten Angebotsseite besser auszubalancieren. Stehen nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung, um die freien Stellen zu besetzen, dann wollen die Zentralbanken die Nachfrage nach Arbeitskräften einbrechen lassen. Die US-Wirtschaft ist nach wie vor stark und es braucht Zeit und weitere Zinserhöhungen, um den Prozess einer negativen Dynamik auszulösen. Die Ausgaben der Verbraucher und Unternehmen müssen sich verlangsamen, aber die Bilanzen sind immer noch in guter Verfassung. Letztlich wird sich die Nachfrage nach Arbeitskräften verlangsamen, da die Firmen auf das langsamere Umsatz- und Gewinnwachstum reagieren. Dann setzt der Teufelskreis aus steigender Arbeitslosigkeit und nachlassenden Ausgaben ein. Das könnte noch Monate oder Quartale entfernt sein. In der Zwischenzeit könnte die Fed die Zinsen auf bis zu fünf Prozent anheben.

USA mit klaren Vorteilen gegenüber Europa

Die Gegensätze zwischen den USA und Europa sind erheblich. Die USA befinden sich in Bezug auf das Wachstum derzeit wahrscheinlich in einer gesünderen Position als Europa. Die EZB hinkt der Fed hinterher und ihre Politik scheint von der Notwendigkeit geleitet zu sein, die Inflationserwartungen nach unten zu drücken, selbst wenn das eindeutige Abwärtsrisiken für die Wirtschaft mit sich bringt. Auch die Energiesituation ist unterschiedlich. Die USA sind Selbstversorger, während Europa damit zu kämpfen hat, sich an das Ausbleiben russischen Gases anzupassen. Außerdem ist geplant, russische Öleinfuhren Anfang kommenden Jahres auf null zu reduzieren, was die Energieknappheit noch verschärfen könnte. Das ist ein schlechtes Omen für das Wachstum in Europa. Das heißt, dass der Unternehmenssektor im Vergleich zu den USA, wo die Bilanzen und der Verschuldungsgrad nach wie vor komfortabel sind, schwächer ist.

Ohne die aggressive Haltung der Fed sähen US-Credits im Moment großartig aus. Es gibt keine Probleme mit den Krediten, zumindest nicht bei den großen Unternehmen. Deren Finanzierung hängt im Großen und Ganzen nicht von Bankkrediten oder variabel verzinsten Darlehen ab. Die Gewinnspannen der Unternehmen haben sich nicht wesentlich verschlechtert. Die Berichtssaison für das dritte Quartal wird zeigen, ob der Rückgang der Aktienkurse und der Bewertungs-Multiples vorerst ausreichend war. Wir gehen davon aus, dass sich der US-Aktienmarkt stark erholen wird, sobald wir bessere Zahlen beim Kern-Verbraucherpreisindex erhalten.

Geduldig sein

Ein Fahrplan für die Zukunft könnte es sein, zu erkennen, dass in vielen Teilen der Märkte Werthaltigkeit zu finden ist. In einigen Anleihebereichen liegen die Renditen auf einem Mehrjahreshoch. Hochzinsanleihen mit Laufzeiten von drei bis fünf Jahren und erzielbaren Renditen von sieben bis acht Prozent sind attraktiv, wenn man davon ausgeht, dass die Inflation von ihrem derzeitigen Niveau aus zurückgeht. Die Erträge dürften über die gesamte Laufzeit des Investments höher sein als die Inflation. Kurzfristig ist die Fed jedoch immer noch im Spiel und sie spielt hart. Es könnte sich lohnen, zu warten und etwas niedrigere Renditen bei geringerem Risiko zu vereinnahmen oder weiter kurzlaufende inflationsgebundene Anleihen zu besitzen, um von der Inflation zu profitieren, die höher ist, als wir noch vor ein paar Monaten angenommen haben. Die andere Schlussfolgerung ist, dass wir weiter auf den US-Dollar setzen sollten. Der Dollar-Index befindet sich auf einem 20-Jahreshoch.

Geopolitik muss nicht negativ sein

Abgesehen vom Kernthema, darauf zu warten, dass die Notenbanken den Sieg über die Inflation verkünden, gibt es einige andere Dinge zu beobachten. Im Ukraine-Russland-Konflikt könnte sich das Blatt angesichts der jüngsten Äußerungen des russischen Präsidenten und den immer sichtbareren Anzeichen von Unmut in der Bevölkerung wenden. Ausländisches Abenteurertum kann oft durch inländische Opposition untergraben werden. Vielleicht sehen wir auch die Anfänge eines Wandels im Iran. Die Dynamik auf dem Ölmarkt würde sich ändern, wenn der Iran unter einer anderen politischen Konstellation als der jetzigen wieder stärker auf Linie gebracht werden würde. Geopolitische Ereignisse müssen nicht immer zu einer Risk-off-Stimmung führen.

Notenbanken: Hoch einsteigen, billig verkaufen

Zudem beschäftigen sich die Märkte in dieser Woche damit, die Auswirkungen der quantitativen Straffung (QT) zu verstehen. Die Fed hat bereits zugelassen, dass die in ihrer Bilanz gehaltenen Staatsanleihen fällig werden, ohne die Erlöse zu reinvestieren. Dies wird als passives QT bezeichnet und führt zu einer allmählichen Verringerung der Bilanzsumme. Die Bank of England kündigte an, mit dem aktiven Verkauf gehaltener Anleihen zu beginnen. Das bringt Duration in den Anleihemarkt zurück und könnte einige Teilnehmer dazu veranlassen, ihre Bestände entsprechend umzuschichten und vielleicht neu zu bewerten. Die EZB hat ihren Ansatz noch nicht endgültig festgelegt. In jeder Form handelt es sich um eine Art geldpolitische Straffung, auch wenn die Auswirkungen nicht genau verstanden werden und unterschiedlich ausfallen können. Der Prozess ist vermutlich nicht nur ein Spiegelbild der quantitativen Lockerung (QE), sondern wird unter sonst gleichen Bedingungen irgendwo auf der Kurve zu einem gewissen Aufwärtsdruck auf die Zinsen oder Renditen beitragen. Allerdings fällt auf, dass die Zentralbanken im Zuge der quantitativen Lockerung Anleihen kauften als sie teuer und die Renditen niedrig waren, jetzt, da sie günstig sind, verkaufen sie bei höheren Renditen.

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