Neue Schocks, alte Diskussionen
- Nahrungsmittelpreisinflationen sind eine besondere Herausforderung für die Politik.
- Die Europäische Kommission schlägt vor, einige der für die Wiederherstellung der Energiesicherheit notwendigen Investitionen über Auktionen ungenutzter CO2-Emissionszertifikate zu finanzieren. Wir zweifeln, dass dies das richtige Signal ist.
- Das böse „R-Wort“ ist zurück. Die Fed-Mitglieder diskutieren offen über den Umgang mit der Rezession. Angesichts der Anzeichen für eine Überhitzung der Wirtschaft sind sich Falken und Tauben derzeit einig, dass die Geldpolitik erheblich gestrafft werden muss. Aber das wird sich ändern.
Nach einem kurzen Rückgang steigen die Weizenpreise jetzt wieder kräftig. Nahrungsmittelpreisinflationen sind eine besondere Herausforderung für die Politik. Sie sind schlecht für die soziale Ausgewogenheit, weil sie Haushalte mit geringen Einkommen besonders stark belasten, und zugleich sehr prominent, weil die Menschen häufig Nahrungsmittel einkaufen. Deshalb werden bei steigenden Nahrungsmittelpreisen schnell Rufe nach einem Eingreifen des Staates laut. Umgekehrt können lang anhaltende Preissteigerungen bei Lebensmitteln, weil sie quasi täglich spürbar sind, die Inflationserwartungen in die Höhe treiben, sodass die Zentralbanken nicht gerade erpicht darauf sind, entsprechende staatliche Hilfsprogramme mitzufinanzieren. Dies ist ein neuer Aspekt eines Themas, mit dem wir uns bereits seit einigen Wochen befassen: das Abtauchen der Politik. Einige der aktuellen Diskussionen erinnern auf schon fast unheimliche Weise an die Debatten, als die Wirtschaftswissenschaften noch in den Kinderschuhen steckten.
Dennoch stehen im Moment vor allem die steigenden Energiepreise im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit, und die Vorbereitungen auf ein mögliches Embargo russischer Energie gehen weiter. Im Zuge ihrer REPowerEU-Initiative machte die EU-Kommission einen raffinierten Vorschlag zur Finanzierung der notwendigen Investitionen: die Versteigerung einiger der ungenutzten CO2-Emissionszertifikate aus der Marktstabilitätsreserve (MSR). Uns überzeugt das nicht. Unternehmen und Finanzinstitute brauchen klare Preissignale, um ihr Kapital zielführend in die Dekarbonisierung zu investieren. Wenn sie den Eindruck gewinnen, dass die Behörden CO2-Zertifikate eher als Finanzierungsinstrument sehen und nicht als Anreiz für eine umweltfreundlichere Produktion, könnte dieses Preissignal seine Wirkung verlieren.
Das Auftreten einer sowohl angebots- als auch nachfragegetriebenen Inflation ist ein echtes Problem für die Fed. Am Ende muss sich die Zentralbank für eine von zwei Alternativen entscheiden: (1) „Die Nachfrage in den Boden stampfen“, also eine Rezession auslösen, sodass der konjunkturbedingte Teil der Inflation so weit zurückgeht, dass er die angebotsbedingte Inflation ausbremst, oder (2) zulassen, dass die Inflation deutlich über ihren angestrebten Wert hinausschießt, sobald die nachfragegetriebene Komponente eingedämmt ist. Möglicherweise ist die Einigkeit des Offenmarktausschusses nicht von langer Dauer. Solange es klare Zeichen für eine Überhitzung der Konjunktur gibt, ist es für beide Seiten einfach, sich auf eine starke Straffung zu verständigen. Sobald die positive Outputlücke zusammenschmilzt, wird es wieder heftige Diskussionen geben.
Rechtliche Hinweise
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