Linker-Strategien für unterschiedliche Inflationsszenarien

  • 05 September 2022 (5 Minuten Lesezeit)

  • Noch immer beherrscht die Inflation die Schlagzeilen.
  • Investoren sollten die Auswirkungen unterschiedlicher Inflationsszenarien auf inflationsindexierte Anleihen abschätzen.
  • Kurzläufer bleiben attraktiv – aber sollte man jetzt vielleicht Linker aller Laufzeiten in Betracht ziehen?

Es war ein Sommer der Gegensätze: In Europa sorgten die Energiekrise und Rezessionssorgen für Schlagzeilen, in den USA nährten die Kursrallye und das gute Konsumklima die Hoffnung auf eine weiche Landung. Ein Thema wird bis zum Jahresende aber intensiv diskutiert werden – die Frage, wann die Inflation ihren Höhepunkt erreicht und wieder fällt. Investoren sollten sich überlegen, ob sie ihre Inflationsstrategien an ein neues Marktumfeld anpassen müssen.

Bis zum Jahresende und Anfang 2023 ist zweierlei denkbar: schwächeres Wachstum mit steigender Inflation (Stagflation) oder schwächeres Wachstum mit einer zwar noch immer hohen, aber doch fallenden Inflation (Disinflation).

Lässt das Wachstum nach?

Der US-Einzelhandelsriese Walmart berichtete im August zwar über ein besseres Geschäft1 , doch teilen nicht alle Wettbewerber diesen Optimismus. Im Juli lag die Kerninflation in den USA noch immer deutlich über dem 2%-Ziel der Fed. Der US-Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Dienstleistungssektor lag sogar unter 50, was für ein Ende des Wachstums steht. Im Euroraum war vor allem das Verarbeitende Gewerbe schwach, und die chinesische Wirtschaft hat sich noch immer nicht von den Corona-Lockdowns erholt. Außerdem stieg die Inflation im Euroraum im Juli auf den Rekordwert von 8,9%, und in Großbritannien war sie mit 10,1% noch höher.

Grund zur Hoffnung lieferten hingegen die USA. Nach dem höchsten Stand seit November 1981 ging die Inflation hier wieder leicht zurück. Noch immer wissen wir aber nicht, wie schnell sie fällt. Wiederholt sich das Vorjahr, als manche von einer „vorübergehenden“ Teuerung sprachen und schon für Juli 2021 einen Rückgang ausriefen?

Es überrascht nicht wirklich, dass die Realrenditen amerikanischer Linker heute so hoch sind wie in Zeiten, in denen man eine Deflation befürchtete – wie 2010, als die Fed mit höchstens 1% Inflation rechnete, wie 2014/2015, als das schwache Wachstum in vielen Ländern Deflationssorgen schürte, oder wie 2018, als die Preise im Vorjahresvergleich um mehr als 1% fielen.

Ein Stagflationsszenario

Stagflation bedeutet, dass eine dauerhaft hohe Inflation mit hoher Arbeitslosigkeit und schwachem Konsum einhergeht. Viele Volkswirte rechnen zurzeit damit. Die hohe und hartnäckige Teuerung schwächt Kaufkraft und Konsumklima. Lebensmittel- und Energiepreise könnten hingegen weiter steigen, sodass sie trotz des geringeren Konsums die Inflation weiter anheizen.

Die Notenbanken könnten sich dann mit Zinserhöhungen zurückhalten, da sie die Auswirkungen auf die Haushalte fürchten. Doch wie die überraschende Zinserhöhung der EZB um 50 Basispunkte am 21. Juli zeigt, könnte die Geldpolitik unsicher bleiben. Es gibt daher noch immer gute Gründe für Kurzläuferstrategien, die mehr vor steigenden Zinsen als vor einer steigenden Inflation schützen.

Wer gezielt auf eine steigende Break-even-Inflation setzt, was zu Jahresbeginn sehr erfolgreich war, verdient in Zukunft vielleicht weniger. Die Inflation mag zwar weiter steigen, aber wohl nicht mehr so stark wie Anfang 2022. Da die Break-even-Inflation meist den Inflationserwartungen folgt, könnten sie im Stagflationsszenario demnächst weniger stark zulegen.

Und wenn die Inflation zu fallen beginnt?

Trotz mancher Anzeichen für eine weiche Landung in den USA spricht wenig für einen raschen und starken Inflationsrückgang. Gegen die lange so beliebte These von der vorübergehenden Inflation sprechen ihre Hartnäckigkeit und die preistreibenden Faktoren. Selbst wenn die Inflation tatsächlich fiele, spräche die langsame Reaktion der Fed auf die Teuerung gegen eine schnelle Kehrtwende der Geldpolitik. Bei einer zwar niedrigeren, aber noch immer hohen Inflation stünden die Notenbanken vor der Herausforderung, die Notwendigkeit von Zinserhöhungen gegen das damit verbundene Rezessionsrisiko abzuwägen. Auf jeden Fall würden die Menschen Zinserhöhungen wohl weniger akzeptieren, wenn ihr Lebensstandard sinkt.

All das spricht dafür, dass inflationsindexierte Kurzläufer interessant bleiben könnten – weil weiterhin mit einer großzügigen Inflationsindexierung zu rechnen ist und das weitere Verhalten der Notenbanken unklar ist.

Sollten die Notenbanken aber – wie manche vermuten – eine Rezession in die Wege leiten, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen, könnten lang laufende inflationsindexierte Anleihen interessant sein. Selbst wenn die Inflation im Vorjahresvergleich irgendwann fällt, könnte sie im Vormonatsvergleich – vor allem im Euroraum und Großbritannien – noch eine Zeit lang hoch bleiben. Mit einer in Euro abgesicherten, laufzeitübergreifenden Anlage in inflationsindexierten Anleihen kann man im nächsten Jahr vielleicht über 5% verdienen, weil die Realrenditen mit knapp 4,5% zurzeit recht hoch sind2 .

Investoren, die auch eine etwas höhere Volatilität akzeptieren können, sind laufzeitübergreifende Anlagen in inflationsindexierte Anleihen dann eine interessante Alternative.

Die weltweite Perspektive

Neben der grundsätzlichen Wahl der Strategie sollten Investoren auch überlegen, in welchen Regionen sie investieren. Die Inflation ist nicht in überall gleich, und sie kann sich unterschiedlich entwickeln: In den USA sorgt vor allem die heiß gelaufene Binnenkonjunktur für eine hohe Teuerung, während es in Deutschland vor allem die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise sind. Auch scheinen Zinserhöhungen in Großbritannien sehr viel wahrscheinlicher als in Japan. Weil Lieferketten noch immer international sind, können binnenwirtschaftliche Entwicklungen in manchen Ländern weltweite Folgen haben. Deshalb ist es so wichtig, bei Inflationsstrategien international zu denken.

Viel spricht dafür, dass uns ein Abschwung bevorsteht. Ob wir aber eine Disinflation oder eine Stagflation erleben, bleibt abzuwarten, und es muss auch nicht in allen Ländern gleich sein. Die Realrenditen scheinen zurzeit für Käufe zu sprechen, aber für die Realrenditen inflationsindexierter Kurzläufer könnte das noch länger gelten. Um mit der derzeitigen Volatilität besser zurechtzukommen, können sich hingegen langfristige Positionen in lang laufenden inflationsindexierten Anleihen anbieten.

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