US-Arbeitsmarkt: Die Prognosen verdichten sich
Im Überblick:
- Die guten Beschäftigungszahlen überzeugen den Markt nicht mehr. Wir sehen Gründe, warum die neu geschaffenen Stellen zu hoch ausgewiesen sein könnten, aber möglicherweise steigen sie trotzdem immer noch zu schnell, als dass die Fed den vom Markt gewünschten Richtungswechsel vollziehen wird.
- Den Inflationsrückgang im Euroraum betrachten wir mit Vorsicht.
- Wir analysieren den FT-Artikel von Olivier Blanchard über höhere Inflationsziele der Zentralbanken.
Letzten Freitag sind die neuen Arbeitsmarktzahlen erschienen. Erneut wurden zahlreiche neu geschaffene Stellen ausgewiesen, und erneut haben die Märkte nicht reagiert – vermutlich, weil sie bemerkt haben, dass die Details zum Teil sehr widersprüchlich waren. Auch wir halten es für möglich, dass zurzeit zu viele neue Stellen ausgewiesen werden, und haben untersucht, ob das an der Bereinigung um Unternehmen, die geschlossen/gegründet werden, liegt. Möglich ist auch, dass die Schaffung neuer Stellen noch immer nicht stark genug zurückgeht, um einen Inflationsrückgang auszulösen.
Fakt ist, dass die Kündigungsquote noch immer um fast 2 Standardabweichungen über ihrem langfristigen Durchschnitt liegt. Dies ist ein Beleg für die nach wie vor bestehenden Spannungen am Arbeitsmarkt. Und der erneute – wenn auch statistisch labile – Lohnanstieg kommt zur rechten Zeit, um die Politik von Jeremy Powell zu rechtfertigen. Vielleicht ist seine Mischung aus Vorsicht, mit der er es „langsamer angehen“ will, und Entschlossenheit, mit klaren Äußerungen dazu, dass die Fed jetzt noch keine Pause einlegen wird, genau das, was wir im aktuellen Umfeld brauchen. Zwar herrscht noch immer viel Unsicherheit, aber eine schnelle Rückkehr zu einer Inflation von 2% ist auch nicht in Sicht. Für die zweite Jahreshälfte 2023 rechnet der Markt weiter mit Zinssenkungen, während wir davon ausgehen, dass es erst 2024 so weit sein wird. Aus unserer Sicht passen diese Markterwartungen nicht zum derzeit in den Kursen berücksichtigten Endzins – etwas unter 5%, während wir mit mindestens 5% rechnen. Natürlich könnte man argumentieren, dass die Zinsen in Reaktion auf zu schnelle Zinserhöhungen gesenkt werden, aber da sich die Daten derzeit kaum vom Fleck bewegen, wäre ein Endzins von unter 5% nicht unbedingt übermäßig restriktiv.
Auch im Euroraum lag die Inflation jetzt endlich unter dem erwarteten Wert. Weil aber zurzeit noch keine detaillierten Daten vorliegen, ist es schwer zu beurteilen, ob es sich um ein echtes Signal oder um eine zufällige Schwankung handelt. Aber so fragil die Inflationszahlen im November auch waren, könnten sie der EZB dennoch ein Argument liefern, ihren Leitzins im Dezember um „nur“ 50 Basispunkte zu erhöhen.
Schließlich erörtern wir noch die Kolumne von Olivier Blanchard in der Financial Times, in der er prognostiziert, dass die Zentralbanken ihre Inflationsziele anheben werden. In den USA wäre das vielleicht sinnvoller als im Euroraum.
Rechtliche Hinweise