
Paranoid
- 01 August 2025 (5 Minuten Lesezeit)
Beim Welthandel mag man bald klarer sehen, weil sich die USA mit wichtigen Handelspartnern einigen. Der Preis sind allerdings massive Effektivzölle auf Importe der größten Volkswirtschaft der Welt. Die Trump-Administration leugnet noch immer, dass dies auch die USA trifft – aber schon jetzt steigt die Inflation und die Unternehmensgewinne fallen. Einstweilen aber wächst die amerikanische Wirtschaft weiter, nicht zuletzt wegen der hohen IT-Investitionen. Aktieninvestoren wissen zu schätzen, dass die Unternehmen weiter Gewinne erwirtschaften, und am Anleihenmarkt freut man sich über höhere Renditen und laufende Erträge. Dagegen ist kaum anzukommen, auch wenn es doch eigentlich nicht so weitergehen kann. „People think I’m insane because I am frowning all the time“, sang der kürzlich verstorbene Ozzy Osbourne von Black Sabbath in Paranoid.
Deal or no deal?
Die bis zum 1. August abgeschlossenen Handelsvereinbarungen mit den USA scheinen alle recht ähnlich – die USA verhängen 15% Basiszoll und die Exportnationen beteuern, mehr in den USA zu investieren. Die Zollfreunde haben die naive Vorstellung, dass die Amerikaner dann weniger ausländische und mehr einheimische Waren kaufen, für die mit den ausländischen Investitionen die nötigen Produktionskapazitäten geschaffen werden. Das US-Handelsbilanzdefizit würde fallen, die Kapitalverkehrsbilanz würde sich durch Direkt- und Portfolioinvestitionen verbessern. Der Dollar würde dann zulegen – wegen des niedrigeren Handelsbilanzdefizits und höherer Auslandsinvestitionen, aber auch dank einer besseren Marktstimmung: Amerika gewinnt und ist einfach großartig.
So einfach ist es nicht
Ob im Leben oder in der Wirtschaft, nichts ist so einfach, wie es scheint. Importe lassen sich nicht einfach durch inländische Produkte ersetzen. Stattdessen werden die Importpreise steigen und die Gewinnmargen von Unternehmen fallen, die Zwischen- oder Endprodukte in die USA importieren. Wahrscheinlich müssen dann auch die amerikanischen Verbraucher mehr bezahlen, was die Inflation anheizt. Ausländische Lieferanten werden wegen der geringen Nachfrage nach ihren Produkten vielleicht die Preise senken und weniger verdienen. Es lässt sich aber kaum seriös abschätzen, wer am Ende wie belastet wird. Nach dem Inflationsbericht vom Juni sind die Importpreise etwas gestiegen, und manche Unternehmen verweisen in ihren Zweitquartalsberichten explizit auf die Auswirkungen der Zölle auf Gewinne und Gewinnerwartungen. (Dazu zählen Ford, General Motors, Mercedes, Walmart, Diageo und UPS, um nur einige zu nennen.)
Folge dem Geld (gibt es welches?)
In den Handelsvereinbarungen mit der EU und Japan ist von Investitionen in den USA die Rede, aber es bleibt vage. Werden die Direkt- und Portfolioinvestitionen in den USA jetzt wirklich steigen? Laut Bureau of Economic Analysis betrugen im Jahr 2024 die Direktinvestitionen der EU in den USA 176 Milliarden und die Direktinvestitionen Japans 39 Milliarden US-Dollar. In den Handelsvereinbarungen werden wesentlich höhere Zahlen genannt, allerdings ohne Zeitplan. Unklar ist auch, wer die Investitionen finanzieren soll und um welche Sektoren es geht. Am häufigsten ist von Energie und Verteidigung die Rede. Einstweilen scheint es sich aber eher um fromme Wünsche als um konkrete Zusagen zu handeln. Es stellt sich die Frage, ob das Kapital, das in Form von Direktinvestitionen in die USA fließen soll, tatsächlich im Land bleibt. Ganz sicher wird auch ein Teil davon für Importe ausgegeben, sodass der gewünschte Zolleffekt kleiner wird. Die Gespräche auf höchster Ebene über enorme Investitionen in die USA sind jedenfalls noch keine Basis für eine Anlagestrategie.
Alles hat seinen Preis
Die Euphorie am Markt übersieht die Folgen eines 18-prozentigen Effektivzolles (so die aktuelle Schätzung vom Yale Budget Lab) für die US-Wirtschaft – ein um 0,5 Prozentpunkte niedrigeres Wirtschaftswachstum in den Jahren 2025 und 2026. Die Inflation wird unterdessen steigen, sodass die Fed die Zinsen jetzt wohl erst später senkt. Die PCE-Kerninflation stieg im Juni auf 2,8% z.Vj., sodass sie das Notenbankziel jetzt noch stärker überschreitet. Die Leitzinsen wurden am 30. Juli nicht gesenkt, wobei Notenbankchef Powell erneut auf den unsicheren Inflationsausblick aufgrund der Handelspolitik hinwies und dabei einen scharfen Ton anschlug. Am Markt schätzt man die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im September jetzt auf 42%, nach 90% Ende Juni. Vor einem Jahr rechnete man mit einem Leitzins von 3,0% bis 3,2% im Juni 2026, heute mit mehr als 3,5%. Und selbst das kann noch zu optimistisch sein. Powell brachte sogar Zinserhöhungen bei einer steigenden Inflation ins Spiel, auch wenn er das wohl nicht ganz ernst meinte.
Man liest viel von Wachstum
Das Wachstum im 2. Quartal bestärkt die Optimisten. Saisonbereinigt und annualisiert stieg das BIP um 3,0%, nachdem es im 1. Quartal noch um 0,5% geschrumpft war. Für beide Zahlen war die unklare Zollpolitik entscheidend. Im 1. Quartal stiegen Importe und Lagerhaltung, im 2. Quartal ging beides wieder zurück. Abgesehen davon ist die Binnennachfrage zurzeit eher schwach. Natürlich hat sich der Konsum nach nur 0,4% Zuwachs im 1. Quartal im zweiten wieder etwas belebt, mit 1,4% Plus. Die privaten Investitionen waren aber schwach, wenn auch nach einem zugegeben starken ersten Quartal. Zusammengenommen aber schrumpften Konsum, private Investitionen und Staatsausgaben um annualisiert 2%, das schwächste Ergebnis seit der Corona-Pandemie. Wesentlichen Anteil daran hatten allerdings die oft sehr volatilen Bauinvestitionen. Noch sind die Zahlen aber nicht so, dass die Fed die Zinsen senkt, zumal die Arbeitslosigkeit für eine gleichbleibende Inflation eigentlich noch immer zu niedrig ist und die Teuerung weiter über dem Notenbankziel liegt. Anleiheninvestoren müssen vielleicht noch bis nach September warten, bis eine Zinssenkung für Kursgewinne sorgt.
IT an der Spitze
Wirklich positiv an den BIP-Zahlen sind eigentlich nur die hohen Technologieinvestitionen. In der ersten Jahreshälfte sind die Ausgaben für Hardware um 19% z.Vj. und die Ausgaben für Software um 8% gestiegen. Dazu passen die Unternehmensberichte: Meta stellte KI-Ingenieure ein, NVIDIA berichtet über enorme Halbleiterverkäufe und so weiter. Die Zölle mögen das Wirtschaftswachstum schwächen und der Fed das Leben schwer machen, aber die Technologieausgaben sind für die USA eindeutig hilfreich.
Risiken beibehalten, aber vorsichtig sein
Im Grunde hat sich nichts geändert. Die Wirtschaft wächst, die Zinsen bleiben gleich, die Unternehmensgewinne steigen und es gibt nur wenige offensichtliche Kreditprobleme. Erfreulich ist, dass KI die Gewinne im Technologiesektor steigen lässt. Nach den bisher vorliegenden Zahlen haben die Gewinne der Technologieunternehmen im S&P 500 um über 20% zugelegt. Ein Portfolio mit vielen amerikanischen Technologiewerten, High Yield und einem gewissen Inflationsschutz dürften dollarbasierten Investoren gute Dienste leisten.
Für Europa ist der Ausblick weniger klar. Natürlich werden die Zölle der Rentabilität europäischer Unternehmen schaden. Das schwächt die Konjunktur und könnte zum Rückgang des BIP-Wachstums im Euroraum beigetragen haben – von 0,57% z.Vq. im 4. Quartal 2024 auf 0,11% z.Vq. im 2. Quartal 2025. Die niedrigeren Leitzinsen und vielleicht auch die deutschen Ausgabenprogramme könnten die Wirtschaft in den nächsten Quartalen aber etwas stärken. Aktienanalysten rechnen weiter damit, dass die Gewinne der EuroStoxx-Unternehmen annualisiert um 7,6% steigen. Konsens ist, dass die Gewinne je Aktie dann 40,20 Euro betragen, nach 36,10 Euro in diesem Jahr. Laut Bloomberg sind die europäischen Unternehmensgewinne nach den bereits vorliegenden Zahlen im 2. Quartal um 15% gestiegen. Noch immer spricht viel für europäische Aktien, wenn US-Titel so hoch bewertet sind wie jetzt. Seit Jahresbeginn boten europäische Indizes und auch manche Emerging-Market-Aktienindizes höhere risikoadjustierte Erträge als die USA, und das trotz der guten Wertentwicklung amerikanischer Aktien in den letzten Monaten.
Die Kreditrisikoprämie bleibt interessant
Am Anleihenmarkt wird man wohl auch weiterhin mehr mit der Spread- als mit der Zinsentwicklung verdienen. Die Credit Spreads sind eng, und manchen Anlegern machen die hohen fremdfinanzierten Credit-Investitionen (durch Short-Positionen in CDS) Sorgen. Ein echter Ausverkauf braucht aber einen Auslöser, und bislang war der Markt extrem stabil. Er reagierte zwar negativ auf den Liberation Day, hat sich seitdem aber wieder vollständig erholt. Das US-Wirtschaftswachstum müsste schon stark einbrechen, die Fed müsste die Zinsen anheben oder die Weltlage sich verschlechtern. (Was hat Trump eigentlich mit Russland vor?) Nur dann würde die Risikobereitschaft wohl so stark nachlassen, dass sich die Credit-Spreads deutlich ausweiten. Aber dann könnte es aufgrund der derzeitigen Positionierung der Anleger heftig werden. Einstweilen bleiben Credits aber sehr attraktiv – wegen der guten Konjunktur- und Fundamentaldaten und dem großen Bedarf an laufendem Ertrag.
Metal und Rock
Ich war nie ein großer Black-Sabbath-Fan, aber der Tod von Ozzy Osbourne hat mich traurig gemacht. Die große Trauer um den Prince of Darkness in seiner Heimatstadt Birmingham erinnerte mich an ähnliche Szenen in Brixton, als David Bowie 2016 starb. Gerade kehrt mit Oasis der Britpop der Neunziger zurück – mit enormem Erfolg und begleitet von Lobeshymnen der Kritiker. Wirtschaft und Staatsfinanzen mögen in Großbritannien hoffnungslos sein, aber in der Popmusik macht uns niemand etwas vor. Long live Rock & Roll! Genießen Sie den Sommer.
Performancedaten/Quellen: LSEG Workspace Datastream, ICE Data Services, Bloomberg, AXA IM, Stand 31. Juli 2025, falls nicht anders angegeben. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Hinweis auf künftige Erträge.
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