Investment Institute
Die Sicht des CIO

Spielgeld

  • 16 April 2021 (5 Minuten Lesezeit)

Teile der Kryptowährungs-Infrastruktur gingen diese Woche an die Börse. Begeben wurden traditionelle Aktien an einer traditionellen Börse, um traditionelle US-Dollar einzuwerben. Wenn das nicht paradox ist. Aber auch sonst amüsieren und faszinieren mich Digitalwährungen und das Geld, das man für sie bezahlt. Vielleicht denke ich aber nicht weit genug und lasse mich zu sehr von dem leiten, was ich in meinem VWL-Studium gelernt habe. Vielleicht erkenne ich deshalb nicht, dass gerade eine ganz neue Parallelwelt entsteht, neben der Welt, die wir alle kennen und verstehen – mit Papiergeld (Fiat-Geld), Notenbanken, Zahlungssystemen und vielem mehr. Und doch hätte ich lieber ein Portfolio aus US-Bankaktien als eine digitale Brieftasche voller Token. Bankaktien zahlen wenigstens Dividenden. Wahrscheinlich steigt auch ihr Wert, denn der Finanzsektor profitiert vom Weltwirtschaftsaufschwung und den damit einhergehenden steigenden Einkommen und Gewinnen.

Mal wieder Bitcoin 

Vor einigen Wochen haben mehrere meiner Kollegen und ich unsere Meinung zum Bitcoin veröffentlicht. Wir können uns nicht vorstellen, dass er wirklich als Assetklasse oder Währung gilt. Daher halten wir ihn auch nicht für etwas, das in ein klassisches Anlageportfolio gehört. Dies kann sich zwar irgendwann ändern, doch einstweilen halten wir den Bitcoin für nichts weiter als ein Spekulationsobjekt. Unterdessen ist er auf über 60.000 US-Dollar gestiegen. Diese Woche ging dann sogar eine Digitalwährungsbörse an die NASDAQ, mit einer anfänglichen Marktkapitalisierung von knapp 76 Milliarden US-Dollar. Das ist enorm. Die Marktkapitalisierung der London Stock Exchange (LSEG) beträgt gerade einmal etwa 60 Milliarden US-Dollar. Schon beim Börsengang war Coinbase wertvoller als die Börse, an der das Unternehmen notiert ist. Finden Sie es nicht auch paradox, wenn ein Unternehmen, das die klassische Finanzinfrastruktur ablehnt, eine Notierung an einer klassischen Börse anstrebt und dabei echtes Geld einwirbt?

Ich halte es mit Jay 

An dem Tag, an dem Coinbase an die Börse ging, sagte Fed-Chairman Jerome Powell einem CNBC-Reporter, dass er den Bitcoin für nichts weiter als ein Spekulationsobjekt hält, das im Zahlungsverkehr zurzeit keine große Rolle spiele. Ich muss zugeben, dass ich Jays Meinung hier weitgehend teile. Die Aussicht, in eine Handelsplattform zu investieren, die vor allem durch den Handel mit Bitcoins und Ethereum Erträge erzielt, überzeugt mich nicht. Und doch gibt es keinen Zweifel daran, dass alles, was mit Krypto zu tun hat, sehr dynamisch ist und manche Anleger fasziniert. Ich wüsste aber nicht, wie es hier wirklich zu einer echten Nachfrage kommen kann, die über „billig kaufen, teuer verkaufen“ hinausgeht. Die engagierteren Fürsprecher der Kryptofinanz scheinen für den klassischen Finanzsektor, Banken und Märkte gleichermaßen schwarzzusehen, ähnlich wie die Anhänger des Discount-Broking für Aktien-Kleinanleger. Ein Grund für Bitcoin-Anlagen könnte die Sorge sein, dass Inflation und Korruption die traditionellen Papierwährungen, ihre Zahlungs- und Bankensysteme und die Anlagemärkte irgendwann zusammenbrechen lassen. Ist der Bitcoin also ein Wertaufbewahrungsmittel für den jüngsten Tag? Ich meine, dass ein digitales Wallet voller Token die Menschheit nicht wirklich retten kann, wenn die Welt untergeht.

Was bringt es? 

Was außer dem Hass auf die Wall Street kann die Nachfrage nach Bitcoins begründen? Für klassische Volkswirte hat die Nachfrage nach einem Gut etwas mit seinem Nutzen zu tun. Es kann Konsumwünsche befriedigen, durch physische Güter oder Erfahrungen. Der Bitcoin selbst hat eigentlich überhaupt keinen Nutzen. Er dient weder als Vorprodukt für die Herstellung von Konsumgütern noch ist er Teil irgendeiner Wertschöpfungskette. Gold hat wenigstens noch den Zweck, dass die Menschen daraus Schmuck und andere dekorative Dinge herstellen. Natürlich könnte man den Bitcoin als Tauschmittel ansehen, aber zurzeit gibt es an unseren Papierwährungen hier nichts auszusetzen. Sie ermöglichen Transaktionen zu Konsum- oder Investitionszwecken – mit einem Bankensystem, das sich in Hunderten von Jahren immer weiterentwickelt hat. Es gibt also eine Alternative zum Bitcoin als Tauschmittel. Der einzige Grund dafür, es den traditionellen Währungen vorzuziehen, ist die Überzeugung, dass das klassische Finanzsystem korrupt ist und gegen die Interessen des „kleinen Mannes“ arbeitet. Ich kann nicht verstehen, warum der Bitcoin ausgerechnet jetzt für manche attraktiv ist. Wir entwickeln uns schnell in Richtung einer bargeldlosen Gesellschaft, und die Notenbanken entwickeln selbst Digitalwährungen, um das Zahlungssystem effizienter zu machen.

Ansprüche 

Als traditionelle Anleger investieren wir in Wertpapiere, die einen Anspruch verbriefen. Aktien sind ein Anspruch auf die zukünftigen Unternehmensgewinne, Unternehmensanleihen ein Anspruch auf den Cashflow des Emittenten. Staatsanleihen begründen einen Anspruch auf die zukünftigen Steuereinnahmen, die eine wachsende Wirtschaft mit sich bringt, Immobilienanlagen einen Anspruch auf Mieteinnahmen. Diese Anlageinstrumente sind Aktiva und Passiva gleichermaßen. Als Passiva des Emittenten begründen sie einen durchsetzbaren Anspruch des Investors, für den sie Aktiva sind. Beim Bitcoin ist es aber völlig anders. Niemand schuldet etwas, und es entsteht auch kein Cashflow, weil man keinen Anspruch an die Realwirtschaft hat.

Wer ist der größere Narr? 

Den Bitcoin kann man nur zu Geld machen, indem man ihn im Austausch für echtes Bargeld jemand anderem überlässt – oder indem man ihn für eines der wenigen nutzenstiftenden Dinge ausgibt, die man mit ihm bezahlen kann, etwa Autos von Tesla. Vor allem aber wird der Bitcoin dadurch zu Geld gemacht, dass man ihn zu Spekulationszwecken kauft oder verkauft. Wenn jemand für 5.000 US-Dollar Bitcoins gekauft und sie heute für 60.000 US-Dollar verkauft hätte, wäre dies ein Vermögenstransfer ohne wirtschaftlichen Mehrwert gewesen. Der Nettogewinn des Verkäufers in Höhe von 55.000 US-Dollar entspricht genau dem gleich hohen Nettoverlust aller anderen Wirtschaftssubjekte. Wer hingegen Bitcoins produziert (Mining), erhält eine Art Gegenleistung für seine Programmierkünste. Anders als die Herstellung von Gütern oder die Bereitstellung einer Dienstleistung entsteht dabei aber kein echter wirtschaftlicher Nutzen. 

Tulpen

Vielleicht liege ich aber völlig falsch und denke nicht logisch. Wie auch immer: Ich glaube, dass der Hype um den Bitcoin anhält. Schließlich reagiert die junge Generation mit großer Euphorie auf alles, was Krypto ist. Vielleicht investieren manche in den Bitcoin, weil er mit anderen Assetklassen nur wenig korreliert ist. Vielleicht will man aber auch einfach nur dabei sein, solange der Hype anhält. Ich gebe ja zu, dass meine Einwände mit meiner klassischen VWL-Ausbildung zu tun haben könnten. Wenn ich aber recht habe, wird der Bitcoin nie etwas anderes sein als ein Spekulationsobjekt. Gerade deshalb wird er dann auch nie zu einer echten Alternative zum klassischen Geld. Entweder wird er als Tauschmittel häufiger eingesetzt und sein Preis stabilisiert sich, oder seine auch weiterhin extreme Volatilität macht ihn dafür ungeeignet. Ich will nicht so weit gehen, dass wir es mit einem „Kaiser ohne Kleider“ zu tun haben, mit einer spekulativen Blase, die irgendwann platzt. Aber natürlich möchte ich es auch nicht ausschließen. Tulpen sind wenigstens schön und bunt, und man kann mit ihnen ein Zimmer dekorieren.

Banken

Für die klassische Finanzwelt war die letzte Woche aber ebenfalls nicht ereignislos. Die führenden US-Banken legten Zahlen vor. Steigende Anleiherenditen und der damit einhergehende größere Handelsumsatz, aber auch die Gewinne am Aktienmarkt und die zunehmende Erwartung einer Konjunkturerholung im 1. Quartal sorgten für höhere Gewinne. Bankaktien lagen deutlich vor dem S&P 500 Index. Wenn die Zinsstrukturkurve im nächsten Quartal steil bleibt, wovon angesichts der absehbaren Inflationsentwicklung auszugehen ist, dürften Banken weiter Gewinne erzielen. Wenn der Aufschwung Fahrt aufnimmt, dürften weiter viele Unternehmensanleihen begeben werden. Viele Unternehmen werden an die Börse gehen, und die fallende Arbeitslosigkeit wird die Kreditmenge wachsen lassen. Wenn Bankaktien weiter steigen, könnte der gesamte Aktienmarkt stark zulegen. In den USA wird mit hohen Gewinnen im 1. Quartal gerechnet, und im 2. Quartal werden die Gewinne im Vorjahresvergleich noch besser aussehen, weil wir die Wirtschaft während des Neustarts in diesem Jahr mit der Wirtschaft während des Lockdowns im letzten vergleichen. Wenn neue Schocks ausbleiben und die Anleger nicht wieder gegen die Fed spekulieren, scheint es jetzt keinen Grund zum Verzicht auf Aktien zu geben.

Eins zu null für die Fed

Vielleicht wird in den nächsten Monaten wieder gegen die Fed spekuliert, wenn die Inflation steigt. Zurzeit scheint die Lage am Anleihemarkt aber wieder recht entspannt, mit US-Zehnjahresrenditen von 1,60% und Realrenditen 15 bis 20 Basispunkte unter ihrem jüngsten Höchststand. Die Fed hat die kurzfristigen Erwartungen sehr gut im Griff. Im März ist der Preisindex erwartungsgemäß stark gestiegen (auf 2,6%), bei einem Anstieg der Kernrate (ohne Lebensmittel und Energie) auf 1,6%. Beides ist ein starker Zuwachs gegenüber Februar. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Kernrate des Verbraucherpreisindex vor Corona deutlich höher war. 2016, als die Fed mit ihrem bis jetzt letzten Zinserhöhungszyklus begann, betrug die Kerninflation etwa 2,2%. 2017 ging sie dann zurück, um 2018 und 2019 wieder zu steigen. Heute ist die Inflation weit davon entfernt, eine Straffung der Geldpolitik rechtfertigen zu können. Anleihepessimisten fürchten aber eine Teuerung von etwa 3%. Wenn die nächsten Inflationszahlen bekannt werden, muss die Fed vielleicht wieder darauf hinweisen, dass es für sie Wichtigeres als die kurzfristige Teuerung gibt. Im März war es richtig, den Staatsanleihenanstieg zu nutzen. Vielleicht bekommen Anleihehändler und Investoren im 2. Quartal eine weitere Chance.

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