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Zukunftstrends

Putins Krieg schärft das Bewusstsein für die Netto-Null

  • 28 März 2022 (5 Minuten Lesezeit)

Nur wenige Monate nach der COP26-Konferenz sorgt der jüngste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für Ernüchterung. Die UN-Organisation warnt vor „einer Reihe unabwendbarer Klimarisiken in den nächsten 20 Jahren“, selbst wenn die Erderwärmung auf 1,5°C begrenzt wird.1

Selbst wenn das 1,5°C-Ziel nur zeitweise überschritten werde, habe dies „gravierende Folgen, von denen manche unumkehrbar“ seien. Die Risiken für Gesellschaft, Infrastruktur und tief gelegene Küstenregionen würden steigen.

Die Analyse zeigt uns einmal mehr, wie wichtig die Netto-Null ist – und das ausgerechnet jetzt, wo erst die Coronapandemie und dann der Krieg in der Ukraine die internationalen Beziehungen ebenso wie die Geldpolitik auf den Kopf gestellt haben.

Laut IPCC führen Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen schon jetzt zu einem massenhaften Artensterben und gefährden die Nahrungsmittel- und Wasserversorgung von Millionen von Menschen. Zurzeit geht es aber vor allem darum, den Aufschwung nach Corona zu verlängern und angemessen auf die Folgen des russischen Einmarsches in die Ukraine zu reagieren.

Schon beim Neustart der Wirtschaft nach Corona war Energie teuer – und weil die Inflation so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr, wird in Europa und in den USA jetzt mit massiven Zinserhöhungen gerechnet. Der Krieg hat aber auch neue Zweifel an Energiesicherheit und Energieangebot ausgelöst. Die Preise steigen immer weiter, und die Regierungen prüfen eiligst die verstärkte Nutzung eigener fossiler Energieträger.

Neue Herausforderungen

Als die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine in einem Krieg mündeten, kam es zu einem Ausverkauf internationaler Aktien. Erstmals seit sieben Jahren kostete das Barrel Öl mehr als 100 US-Dollar. Die russische Aggression hat schon jetzt zu schrecklichem Leid geführt, und der Westen verhängte Sanktionen gegen die russische Führung, einige Banken und reiche Privatpersonen. Die wirtschaftlichen Folgen gehen aber weit darüber hinaus.

Entscheidend ist, dass Russland ein wichtiger Energielieferant ist. Zurzeit importiert die Europäische Union (EU) 90% ihres Gases, davon fast die Hälfte aus Russland. Auch etwa 25% der Ölimporte und 45% der Kohleimporte der EU entfallen auf Russland.2

Zugleich wurde immer weniger in Öl-, Gas- und Kohlekraftwerke investiert, während mehr Kapital in nachhaltige Energien floss. Es heißt, der Energiesektor könne daher nicht gut auf einen plötzlichen Nachfrageanstieg reagieren. Die Kapazität der erneuerbaren Energien reiche noch nicht aus, um Versorgungslücken zu schließen, zumal die Wind- und Solarenergieerzeugung nicht plötzlich gesteigert werden könne.

Die Internationale Energieagentur (IEA) meint, dass Europa schnell handeln müsse. Im nächsten Winter seien die russischen Gaslieferungen höchst unsicher.3 Kommissionschefin Ursula von der Leyen äußerte sich ähnlich und forderte, dass die EU unabhängig von Öl, Kohle und Gas aus Russland werden müsse. Man könne sich nicht auf einen Exporteur verlassen, der einen Lieferstopp androhe.4

Energiewende auf der Kippe

Durch Putins Angriff steht die Energiewende weltweit auf der Kippe. Wenn freiwillig oder gezwungenermaßen weniger russische Energie verbraucht wird, verlagert sich die Nachfrage auf andere Lieferanten und Energiequellen. Kurzfristig ändert sich an den hohen Preisen dann nichts. Weil man angesichts von Lieferstörungen aber flexibel und unabhängig sein möchte, wird demnächst wohl wieder mehr Kohle, Öl und Gas aus anderen Ländern genutzt – mit der möglichen Folge, dass die CO2-Emissionen nicht weiter fallen und die Netto-Null in weitere Ferne rückt.

Ausreichende Kapazitäten für erneuerbare Energien oder Alternativen wie Kernkraft lassen sich nicht von heute auf morgen aufbauen, sodass die Preise wohl erst einmal hoch bleiben. Viele Politiker fordern bereits, stillgelegte Kohlekraftwerke wieder ans Netz zu bringen, damit die EU nicht mehr auf russische Energie angewiesen ist. In Großbritannien wurde sogar die Wiederaufnahme des Frackings gefordert, um die Produktion zu steigern und die Preise zu dämpfen.5

Diese Eile ist verständlich, wenn nicht alternativlos. Für die Umwelt wäre es aber ein Desaster, wenn Putin letztlich alte Kohlekraftwerke wieder ans Netz bringt und Tempo und Umfang der Dekarbonisierung gefährdet. Für uns gab es aber nie bessere Argumente für die Energiewende als heute. Jede Idee, die den Ausstieg aus fossilen Energien verlangsamt, sollte daher so kritisch wie möglich hinterfragt werden.

Was heute geboten scheint, wird uns langfristig kaum helfen. Eine britische Studie hat gezeigt, dass durch die Abschaffung mancher Klimaschutzmaßnahmen in den letzten zehn Jahren zu Jahresbeginn 2022 fast 2,5 Milliarden Pfund mehr für Energie ausgegeben wurden.6 Es gibt keine einfachen Lösungen. Fest steht aber, dass man sich ausgerechnet jetzt, wo unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen besonders teuer und gefährlich scheint, nicht noch abhängiger machen sollte.

Europa muss sich also von fossiler Energie aus Russland verabschieden. Von der Leyen hat schnelle Antworten auf die steigenden Energiepreise gefordert. Die Gasversorgung soll diversifiziert werden, die Energiewende beschleunigt.7 Die Europäische Kommission hat dafür einen Plan vorgelegt. Lange vor 2030 will man von russischer Energie unabhängig werden. REPowerEU soll den Gasimport diversifizieren, die Einführung von Biogas beschleunigen und bei Heizung und Energieerzeugung auf Gas verzichten. Die EU rechnet damit, die Nachfrage nach russischem Gas bis zum Jahresende um etwa zwei Drittel senken zu können.8

Der nächste Schritt

Das könnte eine Chance sein, die Energiewende so zu beschleunigen, dass Länder und Investoren in den nächsten Jahren nicht wieder unter so starken Druck geraten. Noch immer nutzt die Welt zu viel fossile Energie, sodass die CO2-Emissionen kurzfristig nicht genug fallen. Hohe Preise für fossile Energie dürften den Trend zu den Erneuerbaren beschleunigen, zumal der technische Fortschritt die Kosten langfristig senkt. Die kurzfristigen Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen sind aber unbestreitbar.

Die CO2-Emissionen werden wohl höher sein als vor ein oder zwei Jahren erwartet, zumal die Energiewende jetzt schwieriger scheint. Die Emissionen dürften erst später fallen, sodass aber auch mit mehr öffentlichen und privaten Investitionen in grüne Energien und die dafür nötige Technologie zu rechnen ist. Ziel sind letztlich deutlich weniger CO2-Emissionen, was auch der Energiesicherheit sehr zuträglich wäre. Neben Sonnen- und Windenergie dürften auch Wasserstoff- und Kernenergie davon profitieren, und wahrscheinlich wird sich auch die Energieeffizienz verbessern.

Der heftige Energiepreisschock zeigt uns einmal mehr, wie wichtig Energiesicherheit ist. Fossile Energieträger hatten schon immer ein hohes politisches Konfliktpotenzial. Europas Abhängigkeit von einem aggressiven Russland dürfte das kaum besser machen. Der Klimawandel ist ebenfalls eine ernste Bedrohung und eine Gefahr für unseren Wohlstand, den wir aber beim Klimaschutz im Blick behalten müssen. Ohne Dekarbonisierung gibt es kein nachhaltiges Wachstum – und damit auch keine nachhaltige und glückliche Zukunft.

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